Der Werdegang des Projekts Hejhej - Nachhaltige Yogamatten zeigt exemplarisch den Weg über Stipendien und Crowdfunding und andere Instrumente zum eigenen Start-up. Dies ist ein Erfahrungsbericht, der auf einem Interview mit der Gründerin Sophie Zepnik im Sommer 2022 basiert.

Intro

2016 stießen Anna und Sophie auf ein Problem: Yogamatten bestehen oft aus giftigem Kunststoff und sind nicht vollständig recyclebar. 

Das wollten sie besser machen und gründeten mit Hejhej ein Unternehmen, das nachhaltiges Yogaequipment anbietet. Angefangen haben sie mit ihrer closed-loop-Yogamatte, die aus Schnittresten der Schaumstoffindustrie besteht. Gebrauchte Yogamatten von Hejhej können zu 100% recycelt werden. Durch ihren Rücknahmeservice werden die alten Matten als Rohstoff für neue Produktionen genutzt. So werden pro Yogamatte nach eigenen Angaben etwa 1,5 Kilogramm Müll eingespart.

Mittlerweile verkaufen sie sieben Yoga-Produkte in ihrem Online-Shop.

Vom Museumsbesuch zur Gründungsidee

Anna Souvignier und Sophie Zepnik haben beide von 2016-2017 im Master Nachhaltigkeitsmanagement an der Universität Malmö studiert.

2016 besuchten die Freundinnen gemeinsam die Ausstellung The Warm, the Cool and the Cat im Kunstzentrum Göteborg, in welcher Pinar Yoldas mit ihrem Kunstwerk “Global Warming Yoga Studio” Yogis kritisierte, die einerseits einen nachhaltigen Lebensstil verkörpern wollen, andererseits aber für ihre Yogapraxis oft umweltschädliche Plastikmatten verwenden. 

Als Yoga-Praktizierende fühlten sich die beiden angesprochen und suchten daraufhin nach einer umweltfreundlichen Yogamatte. Da sie kein Produkt finden konnten, dass ihren Ansprüchen gerecht wurde, kam die Idee auf, selbst eine nachhaltige und kreislauffähige Yogamatte zu entwickeln. So wurden die Freundinnen zu Mitbegründerinnen.

Unterstützung durch die Hochschule

Anfangs haben die beiden in ihrer Freizeit mit dem Projekt gestartet, konnten es dann aber recht schnell in ihr Studium integrieren. So schrieben sie zunächst eine Studienarbeit und später auch ihre Masterarbeit mit dem Thema “Sustainable Entrepreneurship for Cradle-to-Cradle Products - the Circular hejhej-model (An Experimental Research)”  über Hejhej, was es ihnen ermöglichte viel Zeit und Arbeit in das Projekt zu stecken.

Über das Gründerzentrum Drivhuset der Universitätbekamen sie außerdem Unterstützung von einem Coach, der sie mit verschiedenen Expert*innen vernetzte, auf mögliche Stipendien und Fördergelder hinwies und ihnen half, ihre ersten konkreten Schritte auf dem Weg zur Gründung zu definieren.

Von der Idee zum Produkt

Die beiden fingen zunächst an verschiedene Materialien und Recyclingkreisläufe zu recherchieren. Sie sprachen mit Expert:innen, kontaktierten Firmen, führten erste Tests durch und holten sich Feedback ein.

„Das war am Anfang gar nicht leicht, weil wir noch junge Studentinnen waren und oft nicht wirklich ernst genommen wurden.”

Anna und Sophie blieben hartnäckig. Sie bauten ihr Netzwerk aus und fanden schließlich eine Produktionsstätte, mit der sie gemeinsam den ersten Prototypen aus recycelten Schaumstoff entwickelten.

Kurz vor der Produktion sprang der Partner jedoch ab, da es ihm aus technischen und wirtschaftlichen Gründen doch nicht möglich war, die Hejhej Yogamatte in Serie zu produzieren.

„Das war ein sehr großer Rückschlag für uns, weil wir wieder komplett von vorne anfangen mussten. Natürlich haben wir in der Zeit viel Wissen angesammelt und wussten genau was wir brauchen. So haben wir einen neuen und rückblickend betrachtet sogar besseren Partner gefunden, mit dem wir seitdem sehr glücklich sind.”

Der neue, kreislauffähige Prototyp konnte dann ein Jahr später auf seine technischen Herausforderungen wie Rutschfestigkeit, Dämpfung, Dehnbarkeit getestet werden. 

Dafür kooperierten sie mit dem offenen Innovationslabor Josephs, das in seinen Test-Spaces in Nürnberg mit wissenschaftlichen Methoden neue, innovative Produkte testet. Nachdem die Hejhej Mats dort drei Monate von Probanden getestet wurden, floss das Feedback in die Verbesserung der Yogamatte ein. Nach zwei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit waren die Matten schließlich fertig.

Die Idee wird bekannt

Vor allem am Anfang haben Sophie und Anna proaktiv Zeitungen und Magazine angeschrieben, um auf Hejhej aufmerksam zu machen. Die Süddeutsche Zeitung hat dann als erstes über das Projekt berichtet. Diese Referenz führte zu weiteren Artikeln und Presseanfragen von verschiedenen Plattformen.

Neben Presse wurde Social Media – vor allem Instagram – zum wichtigsten Medium, um mit der wachsenden Community zu kommunizieren, Neuigkeiten zu teilen und Produkte zu bewerben.

Nach ihrem Abschluss reichten Anna und Sophie ihre Masterarbeit beim Nachhaltigkeitspreis für Abschlussarbeiten der grünen Partei Schwedens ein und gewannen 7500 SEK für ihr Projekt.

2017 wurde das Projekt dann für den Bundespreis Ecodesign nominiert.

„Ich glaube, dass die Nominierung uns geholfen hat. Wir haben es auf unserer Website verlinkt, es wird von den Leuten gesehen und auch super positiv wahrgenommen."

Zurück in Deutschland bewarben sie sich bei vielen weiteren Gründerwettbewerben, pitchten ihre Idee, kamen auch oftmals ins Finale, doch gewannen schlussendlich nichts.

„Das war tatsächlich sehr frustrierend, weil die Bewerbungen immer sehr aufwändig sind. Irgendwann haben wir dann entschlossen die ganze Arbeit und Zeit, die wir in Bewerbungen stecken, lieber direkt in Hejhej zu investieren.”

Bei Wettbewerben wünschen sie sich mehr Diversität und dass Auswahlkriterien breiter aufgestellt werden: “Bei vielen Wettbewerben, bei denen wir mitgemacht haben, waren Teilnehmer und Gewinner gefühlt immer Männer und auch in der Jury saß oft überhaupt keine Frau. Ich finde es super wichtig, dass mehr weibliche Vorbilder gezeigt werden, die etwas erreicht haben und neuen Frauen Teams der Weg dadurch auch erleichtert wird.

Auch wirklich schade war, dass wir bei einigen Wettbewerben ausgeschieden sind, weil wir nicht in das Raster gepasst haben. Bei klassischen Incubator Programmen war Nachhaltigkeit leider kein Kriterium und wir wurden eher belächelt, weil bei uns das Entwickeln eines ökologisch guten Materials über der Wirtschaftlichkeit steht.”

Gründung

Zunächst haben die beiden eine GbR gegründet.

„Das war am einfachsten und wir hatten auch nicht das nötige Geld für eine GmbH. Mit der GbR konnten wir anfangs unsere Buchführung komplett selbst machen. Wenn man eine UG oder GmbH gründet, sollte man dafür schon einen Steuerberater haben. Das sind Kosten, die man am Anfang eigentlich nicht decken kann.”

Mithilfe ihres Steuerberaters wandelten sie dann 2021 ihre GbR zu einer GmbH um, um das Unternehmen besser ausbauen zu können und nicht mehr privat dafür zu haften.

„Es war gut, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon Gründungserfahrung hatten und uns auf unsere Partner verlassen konnten, weil die Umformierung sehr komplex und aufwendig war.”

Der Weg zu schwarzen Zahlen

Die Gründerinnen arbeiteten von Anfang an in Vollzeit an ihrem Projekt. Nach dem Masterabschluss gewannen sie das Leapfrogs Stipendium der Universität Lund, das ihnen für 3 Monate ein festes Gehalt von insgesamt 33000 SEK (das entspricht ungefähr 3000€) sicherte.

„So konnten wir in Vollzeit am Projekt weiterarbeiten. Wir mussten uns nicht die Frage stellen, ob wir wir uns einen Job suchen und Hejhej nur nebenbei weiter machen.”

In dieser Zeit bereiteten sie eine Crowdfunding Kampagne auf der Plattform 'start next' vor, bei der man die nachhaltige Yogamatte vorbestellen konnte. Durch die erfolgreiche Kampagne konnten sie die erste Produktionsrunde vorfinanzieren.

Außerdem wurden die beiden nach dem Stipendium für ein weiteres Jahr von ihren Eltern finanziell unterstützt. Schließlich überbrückten sie noch ein paar Monate mit ihren Ersparnissen, bis sie langsam anfingen mit Hejhej schwarze Zahlen zu schreiben.

„Wir sind ganz langsam organisch gewachsen und konnten nach und nach die Produktionsmengen steigern.”

Grundsätzlich sollten ihrer Meinung nach Förderungsanträge entbürokratisiert und Mittel schneller zugänglich gemacht werden.

„Vor allem am Anfang ist eine finanzielle Hilfe super wichtig und oft dauert der ganze Bewilligungsprozess einfach zu lange für junge Start-ups.”

Das hätte besser laufen können

Ein großer Konzern brachte im letzten Jahr eine Yogamatte auf den Markt, die dem Hejhej Modell im Aussehen gleicht. Anna und Sophie hatten zwar einen Designschutz angemeldet, Anwälte empfahlen ihnen aber trotzdem nicht gegen den Konzern vorzugehen. Mit minimalen Änderungen am Produkt, greife der Schutz nicht mehr und ein solcher Prozess könne ein kleines Start-up finanziell ruinieren.

„Wir haben uns wirklich machtlos gefühlt, weil wir nichts gegen die Kopie machen konnten. Ich glaube, an so einem Punkt ist es wichtig, dass man einfach weiterhin auf sein Produkt vertraut und sich auf die eigene Marke fokussiert.”

Mit dem Thema Schutz haben die beiden grundsätzlich keine guten Erfahrungen gemacht. Schlecht beraten, verloren sie viel Geld und Zeit an eine letztendlich gescheiterte Patentanmeldung. Hier wünschen sie sich mehr neutrale Beratung und einen offeneren und ehrlichen Austausch.

So geht es weiter

Ausgelöst durch den Corona-Lockdown, gab es im Jahr 2020 eine erhöhte Nachfrage nach den Hejhej Mats und so konnten Sophie und Anna ihr Team durch drei Mitarbeiterinnen erweitern.

Mittlerweile haben sie mit Hejhej schon sieben Produkte für eine nachhaltige Yogapraxis im Sortiment. Weitere Ideen stecken in der Pipeline. 

Außerdem wollen sie ihr Business, das bisher noch stark auf den deutschen Raum fokussiert ist, langfristig auch auf weitere Märkte ausweiten.