Der Werdegang des Projekts Pumpipumpe zeigt exemplarisch den Weg über Projektförderungen zum etablierten Verein. Dies ist ein Erfahrungsbericht, der auf einem Interview mit der Gründerin Lisa Ochsenbein im Sommer 2022 basiert.
Intro
Pumpipumpe ist eine analoge und digitale Sharing-Plattform, die sich für einen bewussten Umgang mit Konsumgütern einsetzt. Gerade im digitalen Zeitalter will das Projekt außerdem mehr soziale Interaktion in der Nachbarschaft fördern. Dafür haben sie Briefkastenaufkleber entworfen, mit denen man visuell kommunizieren kann, welche Gegenstände man verleiht. Durch das Teilen von Dingen, wie Werkzeug oder Küchengeräten, muss man als Einzelperson so weniger neue Konsumgüter kaufen und schont dadurch die Umwelt. Mittlerweile machen über 20.000 Haushalte europaweit mit.
Aus Frust entsteht eine Idee
Lisa Ochsenbein und Ivan Male haben sich 2009 in ihrem Industriedesign Masterstudium an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel kennengelernt. Gemeinsam gründeten sie 2012 die Prototyping Agentur Heynew und schlossen sich dafür mit zwei Illustratorinnen zu einer Ateliergemeinschaft zusammen.
„Dort haben wir uns ausgetauscht, was uns so beschäftigt und welche Themen wir spannend finden.”
Lisa konnte sich mit den klassischen Designprozessen, die abgeschlossen sind, sobald das Produkt fertig produziert ist, nicht identifizieren. Ökologie und Nachhaltigkeit spielten zu dieser Zeit im Produktdesign noch kaum eine Rolle.
„Ich habe dann angefangen, mich damit zu beschäftigen, wie wir Menschen mit Dingen umgehen, was mit ihnen nach dem Verkauf passiert, ob es überhaupt zum Verkauf kommen muss und wie diese Parameter wiederum die Produktgestaltung und Entwicklung beeinflussen.”
So fing auch das Team an, tiefer in die Thematik einzutauchen und beschloss, in der Nachbarschaft des Ateliers ein Sharing-Projekt zu initiieren. Sie überlegten sich, wie Dinge am besten geteilt werden können und wie die damit verbundene Kommunikation mit dem sozialen Umfeld aussehen könnte.
„Wir haben den analogen Weg über den Briefkasten gewählt, weil wir mit diesem privaten aber auch öffentlichen Interface auch Leute ansprechen wollten, die nicht in der digitalen “Bubble” aktiv sind.”
Nachdem Ivan und Lisa das Konzept Pumpipumpe entwickelt hatten, teilten sie ihre Idee mit Sabine Hirsig, eine der Illustratorinnen aus ihrer Ateliergemeinschaft. Diese war sofort begeistert und bot den beiden an, die Idee und die Aufkleber für das Projekt zu visualisieren. So wurde Sabine zur dritten Mitbegründerin. Robin Oster kam etwas später dazu: Der Software Entwickler wollte selbst mit anderen Studierenden eine Sharing-Plattform aufbauen und stieß in seiner Recherche auf Pumpipumpe.
„Die Gruppe fand unser Konzept spannend. Am Schluss war nur noch Robin dabei. Er ist total wertvoll für unser Team.”
Damals bekamen sie keine Unterstützung von der Hochschule. Selbst Design-Kolleg:innen sahen in dem Projekt eher Aktivismus als ein "richtiges” Designprojekt.
„Diese Wahrnehmung hat sich total verändert in den letzten Jahren. Damals war es überhaupt nicht interessant für einen Industriedesignstudiengang so ein Projekt zu fördern.”
Mittlerweile arbeitet Lisa selbst in Teilzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zürcher Hochschule der Künste.
„Heute ist das anders. In den letzten 10 Jahren hat sich extrem viel getan. Es gibt viele Förderprogramme und die Studiengänge sind auch viel offener geworden. Der Designbegriff hat sich geweitet: Spekulative Arbeiten, Ökologie und soziale Fragen spielen eine große Rolle und so gibt es viel mehr Spielraum für spannende Projekte.”
Das Projekt verbreitet sich
Zunächst berichteten befreundete Journalisten über das Sharing-Projekt. Ein Artikel führte zum nächsten. Große Plattformen wie Arte oder Spiegel online nahmen die Berichterstattung auf.
„Das hat unser Projekt unglaublich gepuscht.”
Das mediale Interesse wuchs konstant und genau diese große Aufmerksamkeit und Nachfrage führte dazu, dass das Team das Projekt weiter voran trieb.
„Eigentlich wollten wir das Konzept nur klein testen und hätten es wahrscheinlich bei dem Piloten in unserer Nachbarschaft belassen.”
Im Jahr 2013 gewannen sie dann mit Pumpipumpe den Bundespreis Ecodesign in der Kategorie Nachwuchs.
„Obwohl der Preis noch relativ neu war, war er schon damals eine ernstzunehmende Auszeichnung, bei der auch die Politik präsent war.”
Diese hohe Reputation half dabei, dass Pumpipumpe nicht mehr “nur” als Aktivismus sondern auch als ernst zu nehmendes Designprojekt wahrgenommen wurde.
Mit der Vereinsgründung folgen weitere Schritte
2014 gründete das Team einen Verein.
„Wir hatten auch kurz überlegt eine GmbH zu gründen, aber wir haben gedacht, dass ein Verein nach außen hin viel verständlicher und glaubwürdiger ist, wenn man nicht gewinnorientiert handeln will.”
Hilfe hatten sie bei diesem Schritt keine. Nach selbstständiger Recherche entschieden sie sich für die Organisationsform des Vereins und führten auch die offizielle Anmeldung selbst durch.
Pumpipumpe wurde dann 2016 zu einem von drei Finalistenprojekten des Fellowship ICT4Good des ImpactHubs Zürich gekürt. Neben einer Finanzspritze bekam das Team für ein halbes Jahr zwei Coaches gestellt: Zum einen bekamen sie einmal im Monat eine Fachberatung im Finanzbereich, zum anderen half ihnen eine Mentorin in kompakten Workshop-Sessions, die richtigen Dinge zu hinterfragen und ein klares Ziel für ihr Projekt zu formulieren.
„Ich fand es toll, Kompetenzen, die wir nicht im Team hatten, durch die Unterstützung von Spezialist:innen zu erlernen.”
Nachdem sie immer häufiger die Rückmeldung aus der Community bekamen, dass es manchmal sehr schwierig sei, die Briefkästen zu finden und da sich gerade in Deutschland viele Briefkästen nicht öffentlich zugänglich im Hausflur befinden, entwickelten sie die Pumpipumpe-Map, eine Onlinekarte in der die Teilnehmer:innen freiwillig ihre Sticker eintragen können. So können außerdem Dinge mit einer erweiterten Nachbarschaft geteilt werden.
Ohne Gewinn und trotzdem finanziert
„Für klassische Investoren ist unser Projekt mit einem nicht auf Gewinn ausgerichteten Geschäftsmodell nicht wirklich spannend. Da muss man eben andere Wege und finanzielle Mittel finden.”
In den Anfangsjahren haben sie deshalb ein paar mal erfolgreich kantonale bzw. städtische Förderungen beantragt. Da es jedoch immer sehr aufwendig war, diese Anträge zu stellen, entschieden sie sich irgendwann dafür, durch den Verkauf ihrer Stickerbögen die Projektkosten zu decken.
„Es gibt natürlich auch ein paar Vereinsmitglieder, die Beiträge zahlen. Die meisten sind aber weniger an einer klassischen Vereinsmitgliedschaft interessiert. Sie wollen einfach Dinge mit ihren Nachbarn teilen.”
Da das Betreuen der Mitglieder sehr aufwendig ist, kommunizieren sie die Möglichkeit, beim Verein beizutreten, heutzutage weniger:
„Man müsste das richtig puschen und dann auch Formate, Treffen und Diskussionen organisieren. Dafür fehlt uns leider die Zeit.”
Für das mittlerweile siebenköpfige Kernteam war es nie das Ziel, ihren Lebensunterhalt durch das Projekt zu finanzieren. Vielmehr trägt sich das Projekt durch ihre ehrenamtliche Arbeit.
„Ich finde es schwierig, aus der Idee ein Geschäftsmodell zu machen. Mir fällt es schwer, ein Szenario zu sehen, bei dem mehrere Menschen in Vollzeit bei Pumpipumpe arbeiten könnten. Vielleicht fehlt uns da aber auch ein bisschen die wirtschaftliche Vision.”
Ganz aktuell bekommen sie wieder eine finanzielle Förderung der Stadt Zürich, mit der sie ihr Pilotprojekt zur Weiterentwicklung von Pumpipumpe im ersten Schritt in Zürich verwirklichen.
„Oft sieht man von außen nicht, wie viel Arbeit und wie teuer so eine Weiterentwicklung ist. Deswegen haben wir jetzt für diese Idee nochmal eine Förderung beantragt.”
Teamarbeit ist geballte Kompetenz
Rückblickend sieht Lisa die größten Herausforderungen dort, wo niemand aus dem Team einen professionellen Background hatte, wie bei Finanz-, Kommunikations- oder Marketingfragen.
„Das waren oft Dinge, die wir nicht eben selbst schnell erledigen konnten oder bei denen wir das Gefühl hatten, wir bekommen das zwar irgendwie hin, aber da gäbe es sicherlich noch bessere Wege.”
In dem Fall haben sie sich extern Hilfe geholt, sich Kompetenzen angeeignet oder auch Kompromisse im Sinne von
„Das ist jetzt einfach so - es kann nicht alles perfekt sein.”
geschlossen. Außerdem erweiterten sie ihr Team durch Majed Fayazi für die Programmierung, Maude Rivière für die Kommunikation und Miriam Barner für Social Media.
Da alle Teammitglieder hauptberuflich selbständig oder festangestellt sind, hat sich Pumpipumpe relativ schnell als Nebenprojekt eingependelt. Mittlerweile ist das siebenköpfige Team - anders als am Anfang - in der ganzen Schweiz verteilt. So arbeiteten sie schon lange vor der Coronapandemie in Videocalls zusammen. Damit die Zusammenarbeit auf Distanz so gut funktioniert, haben sie alle Aufgaben strikt verteilt.
„Jeder weiß genau, wofür er oder sie verantwortlich ist.”
Außerdem treffen sie sich regelmäßig und arbeiten dann gemeinsam die großen Aufgaben ab.
„Ich finde es sehr schön und auch überhaupt nicht selbstverständlich, dass wir das schon 10 Jahre machen können. Wir arbeiten einfach gerne zusammen und das ist eine große Motivation weiter zu machen.”
Nach Bedarf helfen außerdem viele weitere Menschen punktuell mit.
So geht es weiter
Ihr Ziel ist es, dass immer mehr Menschen den Massenkonsum ernsthaft überdenken und alternative Wege mehr annehmen, Dinge gemeinschaftlich zu nutzen.
„Das Problem ist, dass nur wenige Menschen sich effektiv Dinge ausleihen. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, in der zu viele Menschen die gleichen Dinge besitzen. Das ist ein langsamer Prozess, weil Projekte wie unseres eigentlich nur zukünftige Kaufentscheidungen beeinflussen können.”
In ihrem neuen Pilotprojekt in Zürich wollen sie ihre Sharing-Platform nun auch von der anderen Seite aufrollen. In den letzten 10 Jahren konnten sie viel Erfahrung sammeln und Feedback verarbeiten. Dabei ist ihnen aufgefallen, dass die Überwindung, irgendwo zu klingeln, um sich etwas auszuleihen, groß ist.
Um diese Hürde zu umgehen, sollen die Teilnehmer:innen nun auch aktiv kommunizieren können, was sie sich ausleihen möchten.
„Die Idee ist, dass man in seine Nachbarschaft rausposaunen kann, was man zum Beispiel für den Abend oder fürs Wochenende braucht. Und dann kann jemand darauf reagieren.”